INSTANT REPLAY

Stephanie Kloss / Joshua Zielinski: Instant Replay

LAURA MARS GALLERY
Bülowstraße 52
10783 Berlin
24. Februar bis 6. April 2024

Lenins linkes Ohr liegt am Berliner Stadtschloss. Was klingt wie eine Schlagzeile aus der Boulevardpresse, ist die sehr verkürzte Beschreibung des ersten Raums von Instant Replay, der ersten gemeinsamen Ausstellung von Stephanie Kloss und Joshua Zielinski in der Laura Mars Gallery. Kloss hat hier ein Fragment der kulissenhaften Architektur des rekonstruierten Schlosses als Fototapete realisiert. Zielinskis Ausgleichsgewicht (2023), ein riesiges Ohr aus rosa Granit, das für einen Tag als ortsspezifische Intervention am Platz der Vereinten Nationen (ehemals Leninplatz) auf das 1992 abgebaute Lenindenkmal verwies, wird so zum fiktiven archäologischen Fundstück am früheren Standort des Palasts der Republik.

Verdrängte, schlecht verdaute, überschriebene und doch immer wieder aufstoßende Geschichte manifestiert sich auch in den Fassaden der Gebäude auf Kloss‘ Fotografien im zweiten Raum: das Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen, 1992 Ort massiver rassistischer Angriffe von Rechtsextremen gegen dort lebende vietnamesische Vertragsarbeiter; die Zeppelintribüne auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, sowie der Neubau des Axel-Springer-Hauses, mitten auf dem ehemaligen Mauerstreifen, mit schwarzen Säulen auf der West- und weißen auf der Ostseite. Von OMA (Office for Metropolitan Architecture) wird es beworben als „Gebäude, das die Elite der (deutschen) digitalen Bohème anlocken soll“ und das symbolisch für den Übergang von Print zu digitalen Medien steht. Kloss fotografiert die Gebäude in Nahsicht, rückt ihnen auf den Leib und betont so eine subjektive Perspektive, die weniger die Architektur als solche im Blick hat, als die Bilder und Ereignisse, die wir mit diesen Kulissen der politischen und medialen Macht assoziieren.

Auch Zielinskis Waidmannsdank hatte ursprünglich einen Architekturbezug: die beiden von einem Hirschfell gefertigten Zinkabgüsse, die hier auf keilförmigen Holzsockeln ruhen, waren im Kontext einer Ausstellung im Park von Schloss Liebenberg in Brandenburg entstanden, wo sie die im Zweiten Weltkrieg zerstörten Hirsch-skulpturen am Eingang des Jagdgeländes temporär ersetzten. Die räumlichen und inhaltlichen Verschiebungen von Zielinskis Arbeiten (aus dem öffentlichen Raum in die Galerie, vom Solitär zum Dialog mit den Fotografien von Kloss) öffnen neue Denkräume und Assoziationen, die über den einen spezifischen Kontext hinausführen. Elemente aus früheren Installationen werden zu neuen Skulpturen zusammengefügt: auf der zarten Halbsäule aus weißem Marmor, einem Straßenfund, balanciert ein grob behauener Kalkstein in fragilem Gleichgewicht.
Die Reihe von Bronzekeilen, die wie Fundstücke aus einer Grabung anmuten, sind Abgüsse von Türkeilen aus Holz, die Zielinski über Jahre in verschiedenen Museen gesammelt hat. Das Abgießen fixiert den Zustand der mehr oder minder abgenutzten Alltagsobjekte für die Ewigkeit und adelt sie selbst zu musealen Artefakten. Durch die an den Gussstücken belassenen Gusskanäle und -trichter erhalten diese eine individuelle, teils fast figürliche Ausprägung.

Instant Replay, so nennt man den Videobeweis bei Sportübertragungen; die Wiederholung in Zeitlupe und mithilfe von Kameras, aus deren fokussierter Perspektive mehr zu sehen ist als in der Totale. Die Ausstellung bringt historische Fragmente, Artefakte und Trophäen als Indizien gescheiterter Ideologien zur Wiederauf-führung in den Kulissen einer brüchigen Gegenwart.

Text: Bettina Klein